Samstag, 1. November 2014

Depressive sind nicht mehr in der Lage, die Dinge realistisch zu betrachten. Sie sehen alles schwarz, pessimistisch, negativ.

"Aber was nutzte ihm die Erklärung, was nutzte ihm die Tatsache, dass die Krankheit viele andere Leute in der Welt ohne Rücksicht auf ihre Klugheit oder Lebenserfahrung zu verzweifelten Wracks reduzierte? Was ihm fehlte, war eine Erklärung, wie er jemals wieder aus der Dunkelheit hinausfinden sollte."
Habe gerade das Buch über Robert Enke zu Ende gelesen. Ich bin sprachlos. Könne kein Wort sagen, selbst wenn ich gefragt werde. Keine Stimme. keine Luft, trockener Hals. Depressionen töten Menschen. Depressionen sind niemals für immer weg. Manchmal bekommt man sie in den unmöglichsten Momenten. Nichts neues, aber immer wieder erschreckend.

Sechs Jahre hatte er keine Anzeichen, obwohl seine Tochter gestorben ist. Sechs Jahre lebte er das Leben als Nationaltorwart, als Idol, als Held. Sechs Jahre - und dann beendete er sein Leben. Ohne dass auch nur ein Fan etwas mitbekommen hat. Nicht einmal die meisten seiner Mitspieler.

Am. 10.11.14 ist Robert Enke 5 Jahre tot. Und ich wünschte mir, das wir inne halten und merken, dass sich doch nichts geändert hat. Niemand geht offener mit Depressionen um. Niemand "outet" sich. Es ist eine Krankheit für die man sich schämt. Ich erkenne mich in vielen Aktionen wieder. Aktionen eines Weltklasse Torwarts.

Ich lese wie er in einen geregelten Alltag flieht, niemals im Bett liegen bleiben darf, weil das Schwarze ihn sonst trifft. Die Depression kommt sonst. Ich sitze in einem Hebräisch Kurs in der Uni. Zweimal die Woche um Acht. Ich lerne kein Hebräisch. Ich sitze dort und höre Musik. Hauptsache, ich liege nicht mehr im Bett. Nach der Uni koche ich Stundenlang und am Ende lasse ich es Ra. essen oder friere es einfach ein, denn Hunger habe ich nicht, geschweige denn Appetit. Ich sortiere bis tief in die Nacht irgendwelche Papiere, damit mich das Chaos nicht erdrückt. Und dann falle ich in das Bett in der Hoffnung einzuschlafen, bevor die Schatten mich sanft umarmen. Bevor, naja ihr wisst schon, die Depression wieder stark wird.

"Viele haben seinen Tod falsch verstanden: Er habe sich umgebracht, weil er sein Leben nicht mehr aushielt. Es gab Nachahmungstäter, weil sie sich in den Irrsinn hineingesteigert hatten, dann seien sie wie er, dann seien sie ihm nahe. Welch ein tragisches Missverständnis. Die meisten depressiven Menschen, die einen Selbstmordversuch begehen, wollen nicht sterben. Sie wollen nur, dass diese Finsternis endlich verschwindet, die ihre Gedanken bestimmt. Robert Enke ging es wohl nicht anders. 'Wenn du nur einmal eine halbe Stunde meinen Kopf hättest, dann würdest du verstehen, warum ich wahnsinnig werde', sagte er einmal zu Teresa."

Ich kann Robert Enke so sehr verstehen, ohne ihn jemals gekannt zu haben. Der Druck, den man sich selbst macht. Beiläufige Kommentare von anderen, die niemals Kritik waren, aber im Kopf dazu werden. Und dieses Gefühl alles alleine schaffen zu müssen. Die Pflicht, die Maske aufzusetzen. Obwohl man doch eigentlich niemals alleine war. Obwohl man geliebt wurde. Aber der ewige Gedanke: Niemand wird das verstehen. Jeder wird nur die Schwäche sehen.

6 Kommentare:

  1. Ich bin jetzt ungefähr so sprachlos wie du. Wow.

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  2. Liebes..
    du hast ein großes Talent zum schreiben, das kann wohl niemand abstreiten.

    Ich wünsche dir, dass es irgendwann leichter wird. Dass du mit der Zeit immer weiter an dir wächst, eines morgens aufstehst und sagen kannst: "Ja, vielleicht habe ich diese Krankheit. Aber sie bestimmt mich nicht. Nur ich allein lenke mein Leben."
    Ich wünsche dir einen Funken Licht in der Dunkelheit.

    (Und natürlich kannst du dich jederzeit gerne bei mir melden, sei es auch nur für ein offenes Ohr oder sonst etwas.)

    Nur das erdenklich beste,
    Belle

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  3. das liegt vll an der inflation an depression über die wir diese tage lesen.. aber klar, lieferst du mögliche antworten gleich selbst mit, als es eben unerklärlich is von außen zu begreifen, ja, ne ma von innen... und dann soll noch eine der zahlreichen ausprägungen zugewiesen werden (burnout, ...)

    muss gestehn hab da au gar keinen bezug zu, es auf einer metaebene für mich, zu der ich keinen zugang habe, desw kann und werde ich das thema ne an mich heranlassen, sehr wohl erahne ich aber wie authentisch und ergreifend es für menschen muss, die das kennen, so etwas zu lesen! das mit hebräisch find ich total süß!

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  4. Wow.
    Ich bin sprachlos, einfach weil es so wahr ist.
    Sie kommen in den unpassendesten Momenten, da wo sie keiner gebrauchen kann.
    Das schlimme dabei ist, Menschen die sowas nicht kennen, die werden es niemals verstehen.
    und wir werden es niemals jemanden erzählen, aus Angst, verurteilt zu werden.
    Dies ist ein schlimmer Kreislauf, den wünscht man niemanden.

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  5. Ich finde es krass, dass es schon solange her ist.
    Ich muss aber auch mal los werden, dass es meiner Meinung nach, in meinem Umfeld allgemein ein sehr offenes Thema ist. Meine Mutter hatte Depressionen vor fast einer Dekade und hat da auch miit uns Kindern sehr offen drüber gesprochen. Und auch unter Freunden wird sehr viel uber diess Thema debattiert und gestritten..
    Ich bin froh, dass es so ist. Leider ist es nicht überall so, da hast du wohl traurigerweise Recht..

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  6. Nach Robin Williams Tod war das Thema Depression wieder etwas aktueller und diskutierter - die Todesursache ist nicht Selbstmord, sondern Depression.

    Warum verschweigen viele ihre Depression ist doch die Frage - weil es viel zu wenig Akzeptanz in der Gesellschaft gibt. Mit der Diagnose "Depression" oder auch "depressive Episode" findest du in manchen Berufsgruppen keinen Job, auch wenn du mindestens genauso arbeitsfähig bist, wie andere. Deprssion heißt eben nicht bei jedem absolute Handlungsunfähigkeit.

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