Donnerstag, 10. September 2015

Ich bin davon überzeugt, dass diejeningen, die immer gekämpft haben, auch irgendwann ihre Belohnung bekommen.

Ich sitze neben einer Freundin, vermutlich die längste, die ich habe. Wir haben beide etwas getrunken. Sie vielleicht etwas mehr. Um uns herum spukt der Geist der vergangenen Tage. "Ich hab in letzter Zeit oft daran gedacht, mich umzubringen", sagt sie in die melancholische Stille hinein. "Dein Ernst?", frage ich. Es ist nicht so, dass ich Menschen dafür verurteile so zu denken, wie könnte ich das auch, da meine Gedanken häufig ähnlich waren (sind). Aber sie war damals diejenige, der ich meine Probleme gestanden habe und alles, was kam, war: "Du solltest dir professionelle Hilfe suchen". Demnach musste ich zunächst meine vielleicht immer noch existierende Enttäuschung über die damalige Situation herunterschlucken. "Ich meine, wieso denkst du daran?", frage ich fast schuldig nach. "Naja, nach der Trennung von Do. [die waren etwas mehr als ein Jahr zusammen] ging es mir nicht gut. Ich fühlte mich allein. Ich bin nicht gut im Alleinsein. Und dann kamen wieder die Uni-Absagen. [Das dritte Semester, wo sie keinen Platz bekommt] Ich hab kein Problem mit der Trennung, nicht mehr. Immerhin war er ein Vollidiot. Aber dann hat sich M. in mich verliebt und ich hab sein Herz gebrochen, einfach weil ich ihn nicht liebe. Das war einfach zuviel anderes auf einmal. Verstehst du?". Ich trinke einen großen Schluck Whisky-Cola, bevor ich antworten kann. "Natürlich verstehe ich dich. Aber das weißt du genau, sonst würdest du es nicht mir erzählen. Zumindest nicht so, als wäre das kein großes Ding. Ich leb mit den Gedanken fast mein halbes Leben inzwischen. Aber es gibt immer irgendeinen Zweck weiterzumachen, denke ich zumindest. Dann machst du halt ein halbes Jahr, was anderes bevor du studieren gehst. Das Uni-System ist schwachsinnig, aber daran kann man nichts ändern." Wir reden eine Weile über ihre Probleme. Es ist okay. Sie hat den Vorteil des halbwegs guten Elterntums, weshalb sie sich allein schon niemals umbringen würde.

"Wie hast du es damals geschafft dir dieses gute Leben, was du hast aufzubauen? Wie hast du es geschafft, die Gedanken zwar zu haben, aber mit ihnen zu leben?" Plötzlich grinse ich über das ganze Gesicht. "Ich hatte jemanden gefunden, mit dem es sich so anfühlte als könnte man jedes Problem der Welt lösen. Als wäre ich in einer dunklen Kammer gefangen gewesen und er hätte mich daraus geholt. Inzwischen ist es vielleicht wieder schwerer geworden, aber ich weiß, dass er immernoch jederzeit da ist, wenn ich ihn brauche." Sie muss nicht nachfragen und ich nicht erklären, um wen es sich handelt. Das ist das schöne an alten Freundschaften, man muss die Worte nicht verschwenden.

Um 4:30 Uhr gehe ich langsam nach Hause. Es ist ziemlich kalt. Gut, dass ich mal wieder richtig kalkuliert habe, was Kleidung angeht. Ich sehe, dass Maxi online ist und schreib ihm: "Musst du nicht schlafen, du musst in gut 5 Stunden arbeiten" - "Stalkerin. Warum bist du denn noch wach?" - "Ich war bis gerade bei L., haben etwas getrunken, über alte Zeiten gequatscht und so." - "Soll ich dich nach Hause bringen? Ich sitz eh gerade im Auto" - "Du müsstest so den Umweg quer durch die Stadt fahren bis du hier bist und bis dahin bin ich sowieso zuhause." - "Sehen wir uns dann morgen abend?" - "Übermorgen abend?" - "Früher warst du aber leichter davon zu überzeugen meinen Termin einfach anzunehmen" - Früher wollte ich auch, dass du mich liebst. "Früher hat meine Mutter mich auch noch jeden Tag gesehen und musste sich nicht einteilen, wann sie Zeit für mich hat." - "Jetzt schiebst du auch noch deine Mutter vor. Aber du hast Glück. Ich hab nämlich immer Zeit für dich." - "Früher warst du aber schwerer rumzukriegen" - "Früher habe ich mir auch mehr vom Leben erhofft. Ich sag dir morgen Bescheid wegen dem Treffen, ja? Ich geh schlafen, bis bald." Er hat Schmerz. Am liebsten wäre ich zu ihm gerannt, hätte ihm gesagt, dass er der wunderbarste Mensch ist. Aus dem Treffen wurde nichts, weil der Trottel es vergessen hat. Diesen Monat werden wir es aber bestimmt nochmal schaffen uns zu sehen.

Nach diesem Gespräch, am nächsten Morgen ist mir aufgefallen, dass Maxi noch immer denkt, dass ich in der Beziehungspause verweile. Ich habe ihn nie auf den aktuellen Stand gebracht. L. fragt mich am Mittag, was ich tun würde, wenn wir uns sehen und es möglicherweise komplett betrunken zu einem Kuss kommen würde. Locker dachte ich, dass ich sagen würde, dass es betrunken passiert ist und nichts bedeutet. Sagen, dass wir beide Beziehungen führen und es ein Unfall war. Es hat nach all den Jahren doch nichts mehr zu bedeuten. Und ganz heimlich würde ich zurück in die dunkle Kammer gehen, den Moment darein legen und die Türe schließen, damit er mich nicht auffrisst. Damit er in dunklen Stunden immernoch für mich leuchtet.

2 Kommentare:

  1. ich hab mich immer offen zu "maxi" hier bekannt, also aus deiner sicht, hab die (zwischen-)lösung nie verstanden, aber desw bin ich ja auch weder philosoph noch mathematiker sondern nur rationaler wirtschaftswissenschaftler.
    also deine freundin hat do wirklich nur alltagsprobleme, egal welches der drei argumente von ihr man rauspickt, wer hat diese probleme nicht? die mehrheit der menschheit müsste ihr leben in frage stellen, wenn sie sich an einer 1jährig. gescheiterten beziehung, einem korb geben und warten auf studienplatz messen ließe. dagegen würden wohl viele menschen eher lachen, aber so sind eben die relationen, jmd der aus wohlhabenden verhältnissen kommt, der hat ganze andere maßstäbe und erwartungen..

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  2. Eine (fertige) Wirtschaftswissenschaftlerin setzt sich mal dazu und stimmt der Maxi-Fraktion und dem Rest des Beitrags zu ;-)!

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