Ich muss Mittwoch meine Bachelorarbeit abgeben. Ja genau, dieser merkwürdige Tag in 48 Stunden. Und ich fühl mich, wie bei meinen ersten Einträgen oder den etwas späteren. Den blutigen, na ihr wisst schon welche.
Und statt euch zu erzählen, dass mein Freund für mich da ist, hat er "den Anfang" meines Tagebuches gelesen. Eines älteren. Das mit den blutigen Dingen. Und macht sich deshalb Sorgen. Und ich finde es okay, dass er sich Sorgen macht, aber er hat keine Ahnung. Und ich wollte, dass er keine Ahnung hat. Ich wollte nicht, dass er das weiß, sonst hätte ich ihm das erzählt. Jetzt fällt er mir mehr damit zu Last. Mit seiner Sorge und ich weiß, ich weiß wirklich, was er sich ausmalt, was hier vor sich geht. Hier in meiner Schreibhölle. Und genau das ist, wovon ich gerade träume. Eine kleiner Schnitt nur, nichts Besonderes. Und dann rauche ich zwanzig Zigaretten, trink acht Liter Kaffee und schreibe kein Wort. Ich rede lieber darüber, dass ich schreibe.
Erinnert ihr euch an M.? Hieß er so? Habe ich seinen Namen ausgeschrieben? Der auf den eine Bekannte (J.) von mir Stand? Ich habe gerade versucht auf meinem Block was darüber zu finden, aber trotz geringer Dichte an Beiträgen ist nichts zu finden. Kurzfassung: Wir haben uns im Oktober 2015 kennengelernt im ersten Seminar bei Prof. B. und J., neben der ich saß, hat sich mit M. unterhalten, da sie sich wohl schon kannten. Und ab da saß M. jede verdammte Woche hinter uns. M. ist vermutlich der bestaussehenste Mensch, den ich je gesehen habe: meist Hemd, Jeans und kaputte Chucks. Dazu das Gesicht eines dänischen Models. J. erzählt mir nach wenigen Tagen und das obwohl wir uns nicht besonders gut kannten, dass sie auf ihn steht, weshalb er für mich Tabu war. Wenn mir Menschen sowas anvertrauen, dann bin ich da raus. So schwärmte sie mir das ganze Semester etwas davon vor, dass er so scheu und schüchtern sei. (Was meinen Eindruck nicht unbedingt gedeckt hat, aber ich dachte, sie kennt ihn besser.)
Nun hat J. inzwischen die Uni verlassen, aber M. und ich sehen uns ständig in der Uni. Dieses Semester war er Co-Dozent in einem Seminar, das ich besucht habe. M. ist nämlich nicht nur hochintelligent, sondern wahrscheinlich der Mensch auf der Welt, der sich am besten ausdrücken kann und dazu absolut zynisch und sarkastisch sein kann. Man könne sagen mein Traummann (mal abgesehen davon, dass er in einer anderen Liga spielt). Und er ist unglaublich nett zu mir. Inzwischen umarmt er mich sogar zu Begrüßung/ zum Abschied. Wir schreiben hin und wieder eine Nachricht oder Email. Er gibt mir Filmempfehlungen. Und irgendwie ist sein Verhalten nicht unbedingt eindeutig. Meine Mitbewohnerin sagt zwar, dass ich da überinterpretiere, aber andere auch, dass da was ist. Ich meine er macht in jedem dritten Satz einen gottverdammten Zwinkersmiley. Ich hasse diese Dinger.
Philipp hat auch schon vorgeschlagen, dass wir zu dritt in den Semesterferien was trinken gehen. Das würde desaströs enden, habe ich im Gefühl. Deshalb drücke ich mich momentan noch etwas. Vor allem weil ich die Person wäre, die M. fragne müsste.
Jetzt hat M. als viertes (nach C., meinem Freund und Philipp) meine Bachelorarbeit gelesen und man könne sagen, er hat sie zerrissen. Er selbst sagt, er hat überpenibel und überstreng korrigiert. Ich sage: er hat mir jeden Funken Selbstbewusstsein, den ich mir vorgestellt habe zu besitzen, genommen. Es entmutigt mich nicht nur, es zerstört beinahe. Ich weiß wie gut M. ist. Und gleichzeitig weiß ich jetzt, wie schlecht ich bin. Wie schwerwiegend all meine Selbstlobelei in den letzten Jahren war. Ich, die große Philosophin, die nicht einmal ihren Leibphilosophen Schopenhauer verstanden zu haben scheint. M. ist nunmal echt gut. Und jetzt sitz ich hier und rauche beinahe in M. Manier hundert Zigaretten. Er würde zwar mehr Tee als Kaffee trinken, aber genauso viel Rauchen.
Ich habe ihm heute Mittag eine Email geschrieben, ob es wirklich so schlimm ist. Ob ich wirklich so schlecht bin. Und jetzt bereue ich etwas. Einfach, weil ich so auf Selbtmitleid mache. Sowas wie: Sag mir bloß, dass ich nicht so schlecht bin, blabla. Vermutlich eher der unterdrückte Wunsch nach Anerkennung von außen, da ich diese in der Kindheit nie bekommen habe. Schieb ich alles auf meine Eltern. Und gleichzeitig denke ich die ganze Zeit, dass ich mit M. durchbrennen sollte und endlich diesen ganzen Scheiß hier zurücklassen sollte. Und dann fällt mir ein, dass ich eine Beziehung führe. Und dann fällt mir ein, wie beschissen ich Beziehungen finde. Und dann setz ich mich wieder auf Fensterbank und rauch die nächste Zigarette und trink den nächsten Becher Kaffee. Und der einzige Gedanke ist, dass M. aus der Bahn oder einem Auto steigt und mir sagt, dass ich nicht so hoffnungslos sein soll. Dass ich besser bin als ich es denke. Was mir übrigens etliche Leute heute schon gesagt haben. Aber der Kritiker selbst muss es sagen.
Meine Emails aktualisiere ich also alle 2 Sekunden in der Hoffnung, dass er heute nacht noch schreiben würde, aber ich glaube nicht dran. Wahrscheinlich hat er gerade heißen Sex. Oder liest ein Buch. Oder hört Jazz. Oder starrt genauso beschissen in den Himmel wie ich und raucht. Wobei es bei ihm auf jeden Fall besser aussieht.
Philosophische Antwort auf den Sinn des Lebens? Gibts nicht. Nichts gibt es. Alles Nichtse. Nihilismus ahoi.
nur zu geil!! gerne mehr...
AntwortenLöschen