Seit ich denken kann, habe ich Distanz zu körperlicher Berührung. Wenn
meine Mutter mich als Kind gebeten hat, jemandem Hallo zu sagen, habe
ich niemals meine Hand ausgestreckt, höchstens gewunken. Wenn andere
Kinder ihre Eltern angesprungen haben, wenn sie von der Schule abgeholt
haben, habe ich maximal gelächelt. Meist über die Erleichterung nicht
mehr unter 30 anderen Menschen zu sein. Als später das Umarmen als
Kriterium der Freundschaft galt und nur die wirklichen Freunde so
begrüßt wurden, hätte man meinen können, dass ich keine Freunde hatte.
An Weihnachten ist es bis heute eine Qual. Das Drücken, das ganze Getue,
die Verwandten, die drauf bestehen. Warum fühlen sich Menschen denn nur
so wert geschätzt? Liebe oder Zuneigung ist ein Gefühl, kein Körperkontakt.
Heute
kann ich bei manchen Menschen damit umgehen. In gewisser Weise bin ich
erwachsen geworden und füge mich. Oder ich hab den Widerstand
aufgegeben. Vielleicht kommt das auch zusammen. Aber oft wenn ich
Menschen dann so sehr mag, dass ich sie bei der Begrüßung umarme, höre
ich oft: „Du kannst mich auch anfassen“ oder "Ich geh so schnell nicht kaputt". Oft erschrecke ich dann. Ich
fühle mich als würde ich zu viel berühren, zu viel Nähe haben und sie
empfinden es genau andersherum.
Als ich mit meiner Mutter im
Supermarkt an der Kasse stehe, fragt sie mich, wie die Kirmes mit Marco
war. Manchmal erwähnt man Namen und Menschen unterbewusst zu oft. Ich
erzähle völlig detaillos, dass es gut war. „Wieso habe ich immer das
Gefühl, das Menschen nicht verstehen, wenn ich was gut fand? Kann man
mich so wenig einschätzen?“, frage ich. Meine Mutter sieht mich an
und zuckt die Schultern: „Mich würde es auch sehr wundern, wenn das
jemand kann, wenn ich das selbst nach fast 22 Jahren nicht schaffe. Ich
weiß bis heute nicht, ob dir das, was wir machen gefällt oder nicht.“
Ich seufze. „Aber was mach ich denn anders als andere?“ – „Andere
zeigen, was sie fühlen“, sagt sie und bereut es kurz darauf so ehrlich
gewesen zu sein. „Mach beim nächsten Mal ein paar Luftsprünge oder so“,
ergänzt sie lächelnd. Sie meint es nur gut.
Mich selbst
stellt es vor die ungläubige Tatsache, dass sie alle recht hatten. Maxi
konnte nicht wissen, was ich fühle. Tims „Anschuldigung“ war
gerechtfertigt. Meine eigene Mutter. Verflucht. Und was bedeutet das
jetzt für mich? Muss ich mich ändern? Ich zeige ganz offiziell keine
Gefühle. Aber es ist doch so viel mehr als körperliche Reaktion. Es ist
doch in mir drin. Und davon jede Menge. Muss ich mich ändern? Soll ich
jetzt vor anderen weinen, damit sie mich für einen Menschen halten? Vor
jedem mein Herz ausschütten? Sagt mir, was soll ich tun? Das ist
übrigens ein Ausdruck der Verzweiflung, falls das nicht offensichtlich
ist.
Ich lese so gern von dir, vor allem bevor ich zu Bett gehe. Ich gehe beim Zähne putzen online, sehe dass du schreibst und springe sofort wieder ins Bad. Sehe zu, dass ich fertig werde mit meiner Katzeneäsche, verabschiede mich bei meinem Mitbewohner in Lichtgeschwindigkeit und setzte mich mit Pyjame vorn PC und lese deinen Artikel in Ruhe durch, bevor ich antworte und dann lese ich ihn nochmal. Manchmal würde ich mit dir am liebsten Briefe schreiben, nur damit ich noch mehr von dir lesen kann - klingt etwas aufdringlich kitschig ich weiß. Aber eigentlich lese ich fast nur noch deinen Blog ^^
AntwortenLöschenMein Prof in Organisationskommunikation (ja auch das kann mit Gefühle und Philosophie zu tun haben) erwähnte da immer etwas sehr wichtiges. Worte sind zu flüchtig. Der Mensch glaubt den Worten nicht und sind sie noch so ehrlich gemeint. Der Mensch, wurde er einmal entäuscht, sieht Worte als nichts reales. Er kann sie nicht anfassen, festhalte, sich nicht an sie ans Detail erinnern. Das was er glaubt sind Taten und Berührungen. Das ist fassbar, nahbar, real. Ein Beispiel: In meiner Kindergartenpraxis hatte ich einen 6jährigen Jungen. Er hatte keinen Kontakt zu seine, Vater, weil er das nicht wollte. Sein Stiefvater war absolut nicht okay (mittlerweile ist der Junge 10 und durch Lehrerwechsel, seiner lebhaften Schwester, der Trennung seiner Mutter von dem Chaoten wieder ziemlich in Ordnung. Er ist auch wieder sehr gerne bei seinem Dad). Nun ja, er konnte keine Gefühle zeigen. Er k o n n t e das einfach nicht. Andere Kinder ärgerten ihn und er sagte immer "Lass das. Ich mag das nicht!" und dabei grinste und lachte er teilweise, auch wenn sein Körper verkrampfte, nahmen die anderen Kinder nicht seine Worte wahr, sondern nur das was er ihnen zeigte. Das war Gefallen/Freude an dem was mit ihm passierte und sie ärgerten ihn weiter obwohl er es innerlich einfach verabscheute. Genauso die Hand geben - die Pädagogin zwang ihn immer dazu und er verkrampfte sich, streckte zwar lustlos die Hand hin, schaute aber immer weg oder in den Boden. Generell Berührungen etc...
Und darum sind Menschen vielleicht verwirrt, wenn man zu Beginn keine Taten sprechen lässt - andere wiederum überinterpretieren Taten sofort und springen ab, laufen davon. Und dann holen sie auch keine Worte mehr ein und sie laufen so weit, dass sie deine Taten nicht mehr wahrnehmen. Taten können weh tun. Aber sie können auch heilen.
Ich kann dich verstehen - ich mag dieses rumgebusserle und dieses ständig in Kontakt sein auch nicht. Bei meinen Freunden kann ich es mittlerweile sehr gut, ich umarme sie gerne, solange es mir gut geht. Geht es mir schlecht, und das kann ich leider sehr schlecht verbergen, wenn es mir wirklich scheisse geht, kann ich keine Nähe zulassen. Das ist okay so. Du bist okay so. Natürlich kannst du an dir arbeiten, dass du etwas mehr von dir zeigen kannst, von dem was in dir vorgeht. Solange du das willst. Das bedeutet nicht, dass du mit jedem kuscheln oder Händchen halten musst. Vielleicht geht diese Distanz in eine frühe Kindheit zurück, die dein Bewusstsein nicht aufnehmen konnte? Das erste Trauma, das ein Mensch erlebt, ist die Geburt. Die Trennung von der Mutter. Aus der Geborgenheit gerissen. Kinder die in den Brutkasten müssen, so hat man beobachten können, habe ein anderes soziales Verhalten. Auch (nicht) Stillen und wie die Eltern miteinander Nähe ausstauschen beeinflusst die Psyche. Einfach weil sie eine andere Art von Nähe ertragen müssen. Heutzutage versucht man eh alles, um Babys soviel Nähe zu geben, wie nur irgendwie möglich.
Ich kann mich nicht daran erinnern, je mit meiner Mutter oder meinem Vater oder gar mit meinen Geschiwstern großartig gekuschelt zu haben - auch heute noch unvorstellbar für mich. Erst durch meine Freunde irgendwie annehmbar, denkbar möglich. Ich konnte es also erlernen. Aber wieso sollte ich mich jetzt großartig für irgendjemanden ändern? Weil sich meine Hormone unbedingt Nähe wünschen? Weil ich ein triebgesteuerter Mensch bin?
Wieso solltest du dich unbedingt so ändern? Natürlich, wenn es dir damit besser geht, ist es gut so. Aber trotzdem solltest du dir deinen Kern behalten, denn (das kann ich an deinen Worten erkennen) dieser ist wunderschön. Und wenn jemand nicht erkennen kann, wie gern du ihn/sie hast, obwohl du ihnen deine innersten Gefühle und Gedanken anvertraust, so ist vielleicht in dessen Wahrnehmung etwas abgestumpft oder kennt diese Art von Nähe nicht. Für mich gibt es keinen tieferen Vertrauensbeweis, als wenn jemand über seine eigentlichen Gedanken sprechen kann und zwar nicht nur betrunken. Nur wie zu Beginn erwähnt, Menschen sind so gebaut, dass sie Worte als etwas Abstraktes sehen und nur Taten wirklich Glauben schenken können. Wir glauben nur was wir sehen - und sehen nur das was wir wollen. Es gibt wohl nicht Schlimmeres, als einen Menschen, der dir sagt wie Leid es ihm tue und dir gleichzeitig ein Bein stellt. Und nächstes Mal schreib ich meine Texte in ein Worddokument, weil dieses kleine Blogspotkästchen nur fünf Zeilen anzeigt und ich deswegen nicht mehr sehe, womit ich begonnen habe und ob das Ganze überhaupt Sinn ergibt oder wieviele Fehler und zu viele Beistriche ich eingebaut habe.
Löschenwas ich eigentlich sagen wollte: Bleib so wie du willst. Ändere dich nur, wenn DU das willst und nicht wenn andere das von dir erwarten/verlangen. Menschen mögen/lieben dich, so wie du bist. Ich tu das zumindest <3
In Liebe...Nanouk
Ich weiß was du denkst, mir geht es oft genauso, bzw mir ging es früher genauso.
AntwortenLöschenIch konnte nie wirklich Körperkontakt haben, das war immer eine Qual für mich, mittlerweile geht es, trotzdem kann ich es nicht leiden, wenn mir andere zu Nahe kommen, egal ob sie mich in den Arm nehmen oder plötzlich hinter mir stehen.
Ich kann das nur, wenn ich es will, ansonsten versteife ich dabei.
Genauso ist es mit Worten, oft sage ich nur das nötigste und oft denke ich mir danach immer, verdammt, ich hätte noch das und das dazu sagen können.
Das ärgert mich teilweise, aber so komme ich auch niemandem zu nahe, es hat seine Vor- und Nachteile.
Wenn es dich stört, dann arbeite daran, aber nur weil du es willst, nicht um anderen irgendwas leichter zu machen.
Denn die richtigen Menschen werden dich und deine Körpersprache verstehen lernen.
Es gibt Menschen, die spüren Gefühle und es gibt Menschen die tun das nicht. Es gibt Menschen, die sehen den kurzen Schimmer in den Augen, bevor die Tränen runtergeschluckt werden und es gibt die, die den Schimmer nicht sehen. So ist das mit allem. Mit Freude - die man auch an einer Stimmlage und nicht nur an wildem herumgekreische, wie schön doch alles ist, festmachen kann.
AntwortenLöschenBitte bitte bitte verbieg dich nicht für Menschen.
Jemand, der dich aufmerksam beobachtet, der wird spüren, wann es dir gut geht und wann eher nicht so. Und Menschen die viel weinen, sind nicht zwangsläufig trauriger als du. Genauso mit dem Lachen - auch das bedeutet nicht immer Fröhlichkeit. Wichtig ist, dass du nichts fakest. Wenn dir etwas nicht gefällt, behaupte nicht, dass es das tollste überhaupt ist. Denn dann wirst du unglaubwürdig.
Aber wenn du immer ehrlich bist, werden die Menschen, denen du wichtig bist, merken, was in dir vorgeht. Ich glaube daran.
Vielleicht ein kleiner Tipp, wie du ohne Schauspielerei etwas an deinem Problem ändern kannst: Wenn du das Gefühl hast, dass jemand nicht merkt, dass es dir gefällt / es dir nicht gut geht, dann leg deine Hand auf seinen Arm, sieh in seine Augen und sag, was du fühlst. Kein dramatischer Auftritt. Sondern sowas wie "Hey, es ist wirklich richtig schön mit dir." oder "Heute gehts mir nicht so gut." Aufmerksamkeit ist das A&O, nicht, dass du dich verstellst... denn dafür bist du ein zu guter Mensch♥
Ganz viele Grüße, Zis.
oO das kenn ich auch, meine familie/verwandten/kollegen müssen auch distanz wahren, küsschen, umarmung is ne, ein schwacher handschlag, das is alles. die physische präsenz, also bloße anwesenheit muss, darf do au als botschaft der sympathie genügen.
AntwortenLöschenwilhelm hauff schrieb einmal ein märchen, das kalte herz. ich mochte es... deine einstellung ist durchaus annehmbar!