Montag, 4. März 2013

Ich schwebe im Nebel. Ich hoffe du fängst mich auf. Ich bin wie ein einsamer Astronaut

"Denise, wie wärs?", fragt mich mein Mathelehrer. Ich schüttele den Kopf. Ich soll eine mündliche Prüfung simulieren, aber erstens sorge ich dafür, dass ich in Mathe nicht in einer solchen lande und zweitens kann ich nicht gut vor Menschen reden, wenn ich nicht zu hundertprozent vorbereitet bin. Maxi sieht mich an. Nur dein Bruchteil einer Sekunde. Dann ruft er: "Herr H., ich machs freiwillig." Er ist gut im Reden. Herr A. sagte mal, Maxi wäre so gut im Reden wie ich im Schreiben, aber nur von der Menge her. Im Gegensatz zu Philo kann er Mathe. Er schreitet zur Tafel und verkackt. Ich mag das Wort nicht, aber ich finde keinen Ausdruck der das besser treffen könnte. Maxi tut mir Leid. Mein Gewissen ergreift mich. Eigentlich stände ich da. Er wird mich verurteilen. Maxi soll sich wieder setzen. Ich flüchte aus dem Raum, doch die Schatten begleiten mich, ziehen sich mir hinterher.

Ich komm in den Deutschraum von L. Ich vergaß, dass er auch da sein wird. Ich rede angestrengt mit L, während er mich ansieht. Mein Handy vibriert. "Kannst du nicht auch mal sowas anziehen?" Ich sehe ihn verwirrt an. Er deutet auf Nadia, die mit ihrem JeansMini nichtmal ihr ganzes Hinteres verdeckt. Ich schüttele den Kopf und gehe zu ihm rüber. "Ich zieh soetwas nicht an. Nicht in der Länge bzw. eher Kürze." Er verzieht sein Gesicht. "Doch mach das. Sähe bestimmt gut aus bei deinen Beinen." Ich schüttele weiterhin den Kopf. "Du bist notgeil. Nimm Nadia, die nimmt dich auch." Ich lache, obwohl ich es ernst rüberbringen wollte. "Nadia? Nur wenn du mir die Augen ausstichst, meine Hande abschneidest, mein Gehör versagen lässt." Ich schaue mir Nadia an. Sie ist kleiner und fülliger als ich. Ich mag sie nicht. Sie meint sie wäre etwas besseres, aber weiß eigentlich nichts. "Dann findest du mich also auch dick und hässlich.", flüstere ich und bereue es sofort wieder. Maxi sieht mich erschrocken und verwirrt an. "Wieso zum Teufel sollte ich?" Ich hebe meinen Blick vom Boden zu seinem Gesicht. "Ich trage genauso Größe L wie Nadia.", sage ich in einem viel zu verletzen Ton. Er steht vom Stuhl auf, setzt sich neben mich auf den Tisch, sieht mir tief in die Augen. "Schnucki, es gibt einen Unterschied zwischen den Leuten, die sich in L zwängen und den Leuten, die L tragen, weil sie meinen in M zu gequetscht zu sein. Es gibt einen Unterschied zwischen heiß sein und billig. Es gibt einen Unterschied zwischen dir und Nadia. Und den nenn ich, hochphilosophisch, Schönheit." Sekundenlang herrscht Stille in meinem Kopf, in meinem Umfeld. Alles wird still, ich kann nur ihn ansehen. Ich beiße auf meine Unterlippe. Es ist eine alte Angewohnheit. Der Deutschlehrer kommt rein, will anfangen. Er beendet den Moment. Ich flüstere ein leises "Danke" und verlasse den Raum. Zeitgleich verlässt mich der Glaube, dass er es ernst meint.

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