Samstag, 30. Januar 2016

Wir denken nicht nach, Flucht nach vorn! Wir wollen nicht wissen, was wird. Ab heute lassen wir die Dinge passieren

"Lass mich mal wieder reden", ruft die Stimme in meinem Kopf, "ich möchte Trübsal verbreiten und dir Gedanken machen, die du vorher nicht hattest. Denk an F., denk daran, wieviel Leid Ra. wegen dir hat." Ich schließe die Augen, atme tief durch. "Ich denke nicht mehr an F. Außer jemand redet von dem Abend oder ich sehe eine Beiträg über die Syrieneinsätze des deutschen Militärs. Aber dann denke ich nicht an ihn als den Jungen, der mir den Kopf verdreht hat, sondern drücke ihm die Daumen. Die Daumen, dass er heil da raus kommt. Dass alle dort irgendwie heil daraus kommen." Kurz ist es ganz still. Fast so als hätte der böse Geist in mir drin aufgegeben. "Du bist allein.", flüstert die Stimme, so leise, dass allein der Ton ausdrückt, dass es so ist. Doch ich muss lachen. Ich habe mich selbst dazu entschieden allein zu sein. Und ich fühle mich alles andere als allein. Die Welt ist voller Möglichkeiten. Mein Leben ist voll von diesen.

Ich muss euch Jemanden vorstellen. Seit Tagen habe ich das Gefühl, dass es wichtig ist, dass ihr ihn "kennenlernt". Dass ihr wisst, worum sich meine Gedanken drehen und wenden. Er heißt Tim. Er studiert mit mir Mathe und auch Philosophie (möglicherweise auch nur als Nebenfach). Tim und ich hatten die Anfangsmodule in Mathe zusammen, aber danach spalten sich die Interessen und alle belegen was anderes, also irgendwie "kannte" man sich immer. Vermutlich kannten wir nicht mal unsere Namen, damals, aber uns war die Existenz des anderen bewusst. Dieses Semester haben wir nun "Mengenlehre für Philosophen" zusammen. Ein Kinderspiel für alle Mathematiker. Egal. Und vorletzte Woche saßen wir nebeneinander und er hat die ganze Zeit mit mir geredet, seinen (besten) Freund auf der anderen Seite beinahe ignoriert. Ich fand das nicht so komisch, denn Mathematiker sind oft lieber untereinander und das ist okay. "Er ist ja nett", dachte ich mir.

Letzte Woche saß ich am vorletzten Platz der Reihe und Tim kam rein, sah mich, wollte sich zu mir setzen, hatte den letzten Stuhl der Reihe schon zurückgezogen, als ihm einfiel, dass sein Freund wohl noch kommt. Er stellte den Stuhl zurück, lächelte verlegen und setze sich auf den übernächsten Platz auf die andere Seite. (Zwischen uns saß jetzt jemand). Ich sehe zu ihm rüber und war ehrlich verwirrt. Hatte ich was verpasst? Ich meine, wir verstanden uns gut. Wir haben viel geredet. Aber sucht er wirklich meine Nähe? Schnell versuchte ich mir den Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Vermutlich dachte er sowieso, dass ich noch mit Ra. zusammen bin.

Das Seminar begann. Ich versuchte mich zur Abwechslung mal zu konzentrieren, doch war das schirr unmöglich, denn ich merkte immer wieder, wie Tim mich ansah. Ich hätte es gerne darauf geschoben, dass er zur Tafel guckt, zum Dozenten oder zur Uhr. Aber nichts davon war auch nur annähernd in meiner Richtung. Beinahe aus Verlegenheit musste ich immer wieder grinsen. Darüber nachdenkend, ob das Koffein mein Hirn zersetzt hatte, trank ich weiter Kaffee, in der Hoffnung irgendwann nicht mehr zu denken.

Das Seminar wurde beendet und ich packte ziemlich langsam meine Sachen zusammen. Nicht unbedingt aus Absicht, aber die Bahn wäre voll und hier drin ist es warm. (oder ziemlich warm, sehr warm!). Tim hatte unendlich viel auf dem Tisch liegen, weshalb er sowieso ewig brauchte. Ich kam mir bescheuert vor, meine Kopfhörer im Stehen am Tisch auseinanderknoten zu müssen, nur weil ich die Hoffnung hatte, er würde etwas sagen. Ich drehte mich zu ihm und verabschiedete mich. Er grinste leicht und sagte sehr übertrieben "Ciao". Kennt ihr das, wenn jemand eigentlich "cool" rüberkommen will und dann versagt? Genau so war das bei ihm. Ich musste grinsen und ging zur Bahn.

Immer wieder fragte ich mich, was passiert war. Nichts. Eigentlich doch gar nichts. Und wieso genau male ich mir dann aus, wie unser erstes Treffen wird? Wieso denke ich darüber nach, wie ich mich beim nächsten Seminar hinsetze, damit er neben mir sitzt? Und warum zur Hölle mache ich schon wieder aus einer Mücke einen riesengroßen rosa Elefanten?

"Weil er ehrlich ist", spricht die Stimme es aus. "Vielleicht legst du zu viel Bedeutung in seine Gesten und Taten, aber jedes Gespräch, was du bisher mit ihm geführt hast, war ehrlich. Er verstellt sich nicht vor dir. Tut nicht so als wäre er Single. Tut nicht so als würde er dich irgendwie mögen, obwohl er es nicht tut. Das ist das, was die meisten Kerle in deinem Leben von ihm unterscheidet. Er ist ehrlich, bisher." Irritiert versuche ich in meinem Kopf zu gucken. Ich dachte, die Stimme wollte Trübsal verbreiten. "Das schaffst du ganz allein", sagt sie und lacht.

3 Kommentare:

  1. Ja in Musik sind wir uns nicht so unähnlich. (hab ich dir schon mal gesagt, dass ich fast schon eifersüchtig wurde, dass bei der Band meiner Kindheit Backstage warst? :P ) Btw - Turbostaat hat ein neues Album rausgebracht gestern <3
    Ein Lied schöner als das andere.

    Ich freue mich auch, dass du ein Teil davon geworden bist <3

    So ähnlich geht es mir auch. Einzig alleine dem entschlossenen Spieler gab ich ab und an Einblick in diese Texte - vielleicht ein Fehler im Nachhinein.
    Hätte hätte Fahrradkette. Wer weiß schon, was wäre wenn passiert. Hauptsache ist doch, dass wir unsere Worte gefunden haben. Gelobt sei das Internet.

    Ja - schon irgendwie krass. Vor allenm da man ja sonst so nichts voneinander weiß.

    Ich finde übrigends deinen neuen Text auch wieder wunderschön. Vor allem der Schluss. Die Einsicht, dass man sich nicht immer alles Schlechte noch Schlechter reden muss und man manchmal ganz bewusst traurig wird. Aber trotzdem weiß, dass man im Grunde glücklich ist.
    Und mir geht as akteull ähnlich mit einem jungen Mann, den ich bislang zweimal getroffen habe. ^^

    In Liebe...Nanouk.

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  2. Ich danke dir für deine unfassbar schönen Worte. Ich hätte nicht gedacht, dass auch du noch meine Worte liest. Das ist ein schönes gefühl, dass du mich nicht vergessen hast. auch ich habe dich nicht vergessen, ich hoffe du glaubst mir.
    ich denke an dich. ich hoffe dir geht es gut.

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  3. das hat einen gewissen charme wieviel welt sich in nur 10 tagen drehen kann, wenn man rückblickend liest, was heute inzw. bekannt ist...
    schon erstaunlich was so in vorlesungsälen alles so passiert. bin immer nur hingegangen zur uni, wenns mich wirklich interessiert hat und dann galt au das interesse dem/der da vorne, sonst hät ich meine lebnszeit ja "sinnvoller" zuhause nutzen können, so also währenddessen sowieso ignoriert, zu mal diese hörsäle ja oft wie kinosäle sind, also ein blick ins weite also die gesichter sehr schwierig is...

    ja is einfach aber schon toll, mehr kann man sich doch gar ne wünschen im leben und wie viel glück muss man (geschenkt bekommen/erarbeitet) haben, das man so eine gelegenheit bekommt, das scho wow!

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