Montag, 7. Januar 2013

Deine Weltanschauung fällt auseinander und puzzlet sich neu zusammen, doch Hoffnung, deine Zukunft und Gerechtigkeit wurden daraus verbannt!

Die ersten Schritte, nachdem die Tür laut und schwer hinter mir zugefallen war, waren leicht. Wie barfuß auf Federn laufe ich die erste Treppe hinauf. Es ist ein neues Jahr. Es sind meine letzten Monate in dieser Schule. Die ersten Menschen sehen mich, fragen mich, wie es mir geht. Ich lächele, sage gut. GELOGEN. Viele Menschen sprechen mich an, manche sprechen auch nur über mich. Ich lehne mich an die Fensterbank, sehe nach draußen auf den leeren Schulhof. Das hier ist mein zu Hause. Die undichten Fenster, die morschen Stühle und Tische und die Einsamkeit. Meine besten Freunde sind hier irgendwo. Aber sie sind zu Besuch. Sie hassen es hier. Ich fühle mich in der Schule zu Hause. Zu Hause weil ich hier hingehöre. Weil ich mich nirgendwo anders hindenken kann, auch dann nicht, wenn ich es versuche.

Zwei Stunden später finde ich mich wieder an der Fensterbank. Sie schließt meinen Gang ab, öffnet die große weite Welt. Für jeden. Für mich. Meinen Gedanken nachhängend, höre ich meinen Namen. Als ich beim ersten Mal nicht reagiere, höre ich nur Fußschritte und ein "Gut, dann gebe ich die guten Noten jemand anderem. Ich mach das gerne. Vorallem wenn ich mich umenscheide und die ganzen Ferien nur über die eine Note nachdenke". Ich drehe mich um, muss unweigerlich schmunzeln. "Sie sind immernoch hier? Sie bekommen doch nie genug von meiner Intelligenz." "Glaubst du wirklich, ich lasse dich kurz vorm Abi hängen? Ich meine, die ganze Welt will mich als Lehrer, aber für dich bin ich mal da geblieben." Er lächelt. "Gottseidank, das freut mich", murmele ich leise. "Also zu deiner Note: Weg mit der 2-, her mit der 2. Und bevor du deinen Mund aufmachst: Das ist nicht, weil... Naja, wegen... nennen wir es mal einen von dir nicht gewünschter moralischen und emotionalen Ausbruch, für den ich dir danke, weil du so für mich noch menschlicher wurdest. Ich habe dich mit den Leistungen anderer verglichen. Ich versuche immer objektiv zu sein, was soetwas angeht. Ich bin da auch ziemlich gut drin. Aber diesmal nicht. Ich mag dich, wie du bist. Deine Art, deine Interessen, deine Intelligenz. Dass du alles versuchst, um deine Gefühle zurückzuhalten. Aber das tut dir nicht gut. Ich weiß, ich bin nur irgendein Lehrer, der zuviel darüber nachdenkt, was in seiner Lieblingsschülerin vorgeht. Vielleicht denkst du auch, dass ich dich stalke, aber du hast dein ganzes Leben vor dir. Du musst dir nur endlich erlauben zu leben. Ich kann nicht in deinen Kopf gucken und sehen, was dich davon abhält. Und an deinen schlimmsten Tagen denke ich mir, dass ich das gar nicht will. Meine Neugier schlägt mich dann immer, aber ich bin nur dein Lehrer. Und ich brauch dich in TopForm für die letzten Monate, fürs Abi. Weil ohne dich ist der Kurs wie ein leerer Haufen voller Kartoffelsäcke. Und falls dich jemand fragt, wieso du ne bessere Note hast, dann sag das liegt an deinen Leistungen außerhalb des Unterrichts." Sprachlos stehe ich vor ihm. Muss das gehörte, verdauen, brauche aber dennoch eine Antwort. Ich lache. Er sieht mich fragend an. "Leistungen außerhalb des Unterrichts? Ihnen ist klar, dass uns sowieso schon eine Affäre angedichtet wird?" Er lacht. "Dann denk dir was aus. Du bist hier die Schriftstellerin von uns beiden." "Schön wärs." "Denise, ich habe jedes Wort ernst gemeint." "Ich weiß, das ist ja das schlimme. Dass mein Lehrer mehr weiß und beobachtet als er sollte. Aber ich glaube bei Ihnen ist das ganz okay." Er nickt, dreht sich um. "Herr A.?" "Ja?" "Danke." Er grinst und geht davon.

Ich schaue wieder raus. Auf die Welt. Hinein in die Natur. Das Leben liegt vor mir, es braucht nur jemanden, der es haben möchte. Der etwas, damit anfangen kann. Ich werde das alles hier so unglaublich vermissen. In wenigen Monaten. Es sind die letzten Wochen. Dann kommt das Leben.

2 Kommentare:

  1. Manchmal gibt es doch ein Lichtblick in diesem Haufen von seltsamen Lehrern, die in ihrer eigenen Welt leben..!

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  2. Dir geht es nicht so gut, das merkt man an deinen Texten.. doch du hast Recht. Nach der Schule beginnt das Leben. Du kannst alles machen was du willst. Du darfst keine Angst vorm Leben haben, sondern Respekt. Denn dir wurde Leben geschenkt und es ist dir über lassen was du daraus machst - und ich bin mir sicher, wenn du an dir arbeitest und lernst zu leben (mit Höhen und mit Tiefen) dass du dann etwas ganz wunderbares daraus machen kannst. In erster Linie für dich und auch für die anderen Menschen. Die die dich lieben. Du schaffst das.
    Wenn irgendwas ist, kannst du mir gerne schreiben. ich höre immer zu und versuche das Beste um dir zu helfen.
    Liebe Grüße <3

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