Der Vorteil des schlechten Gedächtnisses ist, dass man dieselben guten Dinge mehrere Male zum erstenmal genießt.

07:16 Uhr: Piep. Ich bekomme eine Sms. Ich schaue auf die Uhr, war gefühlt gerade erst eingeschlafen. Ich verfluche die Person, die mir geschrieben hat, ohne es zu wissen. Wirr touche ich auf meinem Handy herum, um die Sms zu öffnen. Es ist T. "Guten Morgen. Alles klar? Ich habe hier jemanden neben mir sitzen, der steht auf dich." Ich schieb mich zurück in mein Bett, lasse das Handy wieder ins Bett sinken. Meiner Berechnung nach müsste T. in der Berufsschule sitzen, also ist er nicht betrunken. Weder P. noch A., noch irgendeiner unserer gemeinsamen Freunde können neben ihm sitzen. Ich richte mich wieder auf und antworte: "Niemand sollte auf mich stehen, aber aus Interesse wer sitzt neben dir?" Ich versuche weiterzuschlafen, aber die Antwortet lässt nicht lange auf sich warten. "Jonas, mein Arbeitskollege, erinnerst du dich?" Ich muss lachen. Wer zum Teufel ist Jonas und wieso steht er auf mich, frage ich meine lückenhaften Erinnerungen. Wenige Minuten wird mir klar, dass ich ihn auf meiner Zulassungsfeier von der Schule getroffen habe und das 1,5 Monate her ist. Erfolglos versuche ich mir sein Gesicht vorzustellen. Er hat mir ein Getränk ausgegeben, was nicht nach meinem Geschmack war, wahrscheinlich irgendetwas mit Wodka. Wir hatten uns über Baustellen unterhalten, weil er Maurer ist und ich eine Maurerstochter und er fand das scharf. Ich wusste aber, dass Maxi bald kommt und ich war betrunken. Verdammt betrunken. Wie kann man auf mich stehen? Und dann auch noch in dem Zustand? Was eine Geschmacksverirrung. Ein Kerl steht auf mich und ich würde ihn nichtmal in der Stadt erkennen, hatte ich auch so noch nie. Ich versichere T. und damit wohl auch Jonas, dass ich mich an ihn erinnere und dreh mich wieder um. Kein Kerl ist so schön wie mein hartes Schlafsofa, wobei wie soll man über etwas urteilen an das man sich nicht erinnert?