Mittwoch, 26. September 2012

Trümmer.

Ich wünsche mir, Menschen mit meinen Beckenknochen erstechen zu können und dabei lachend in den Spiegel zu gucken. So könnte ich das Dünnsein und meinen Menschenhass in wundervoller Freude verbinden. Aber weder das eine, noch das andere passiert. Ich bin nicht dünn. Ich darf niemanden umbringen. Welthass ist groß, Selbsthass ist größer. Also muss ich dünn sein um zu morden. Ich stand heute den ganzen Nachmittag vor dem Spiegel im Schlafzimmer. Habe etwa 300 verschiedene Dinge anprobiert, damit ich weiß, was ich Samstag anziehe. Irgendwann war ich für weiten Pullover und Jogginghose. Da sieht man wenigstens das ganze Fett nicht. Dann zeigte ich meiner Mutter das Outfit. Rock, Top, Strickjacke, Strumpfhose. Sie meinte, ich sähe schön aus. Ich glaubte es nicht, aber wenn sie es meint, vielleicht meinen es auch andere. Oder finden es hässlich, dann achten sie nicht so auf meine Laune. Alles ablenkung. Dann kam mein Vater. "Ja, jetzt müsste man nur noch die Figur dafür haben, würde ich sagen." Ich sah ihn an, rannte ins Schlafzimmer, schloss die Tür ab. Da mein Rucksack auch dort lag, nahm ich die Klinge und zerschnitt meinen Arm. Erneut. Tränen liefen meine Wange herunter. Ich saß vor diesem Spiegel, rot floß genauso wie durchsichtig. Die klare Flüssigkeit schmerzte mehr als die dunkele. Stundenlang suche ich etwas, in dem ich mich wenigstens kurz ertrage. Stundenlang. Und jetzt wird immer dieser eine Gedanke bleiben: FETT! FETT! FETT! ICH BIN FETT! Ich zieh die Jogginghose an, den Pullover, die vorherigen Klamotten schmeiße ich in den Schrank meiner Mutter, ich brauch sie nicht mehr. Ich trockene meine Augen, setzen das Lächeln auf und weiß genau, er würde der erste sein, der den Tod verdient hätte. Ganz genau er. Mein Bruder schaut mich an: "Wärst du nicht meine Schwester und ich ein Typ, der dich verdient hätte, ich würd dich auch in einem Kartoffelsack heiraten, hauptsache du fühlst dich wohl. Er ist ein Arschloch, das weißt du doch. Einfach lächeln und nicken, anders überlebt man das hier nicht." Eine halbe Stunde später, meine Mutter war mit dem Arschloch einkaufen gefahren, lagen die Klamotten ordentlich gefalten auf meinem Bett. Auf dem Zettel daneben stand: "Wenn du das nicht anziehst, bin ich sauer auf dich. Vorallem, musst du mich immer daran erinnern, dass du dünner bist als ich, Schatz? Auch wenn ich alt bin, das ist deprimierend. Du kannst doch nicht einfach die 38er Klamotten in meinen Schranken legen, da passte ich vielleicht vor deiner Geburt rein. Das soll kein Vorwurf sein, denk dran. Ich bin stolz auf dich." Das zweite Mal an diesem Tag brach ich in Tränen aus und auf meine Knie zusammen. Mein Leben ist ein Trümmerhaufen.

3 Kommentare:

  1. okay dein vater ist ja mal ein echtes arschloch!
    hör nicht auf das was du sagst!
    du bist dünn, du hast eine Perfekte figur meine Liebe! ♥
    Und was dein Bruder gesagt hat, das solltest du dir zu herzen nehmen!

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  2. Was auch immer geschwafelt wird, sei dir sicher dass es mit Größe 38 nicht im entferntesten etwas mit 'fett' zu tun hat! Es ist wunderbar wie es ist und lass dir gesagt sein dass es schön ist wie es ist. Lass dir nicht nochmal dein leben von einem männlichen Wesen versauen <3

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  3. Dein Vater ist so ein Bastard. Ich kenne solche Sprüche selbst nur allzu gut, von meiner Mutter, ich weiß wie weh sowas tut. Aber Süße, Größe 38 ist wirklich alles andere als fett. Im Gegenteil.
    Aber du hast einen wahnsinnig süßen Bruder. Präg dir seine Worte genau ein, lass sie dir immer wieder durch den Kopf gehen. Ich wünsche dir, dass du es irgendwann auch akzeptieren und glauben kannst.
    Ich denk an dich. ♥

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